Samstag, 30. Mai 2009

Schon tot?

Unser langjähriges Freundespaar hatte sich während den letzten zwei Jahren langsam aber sicher aus unserem Freundeskreis geschlichen. Bis zu meiner Erkrankung war unser Kontakt recht intensiv, aber inzwischen habe ich den Verdacht, dass ihnen der Umgang mit meiner Krebserkrankung sehr viel Mühe bereitet. Irgendwie passt Krebs nicht recht in eine erfolgreiche Lebens-planung!
Nach langer Stille ihrerseits nun vorgestern plötzlich Entschuldigungen auf dem Telefonbeantworter, Erklärungen sowie eine kurzfristige Einladung zum Abendessen. Am Telefon dann noch einmal persönlich von unserem Freund dieselben Erläuterungen. Da unser Wochenende jedoch bereits verplant ist, schlage ich vor, die Einladung zu verschieben und sogleich einen Termin zu suchen. Unmöglich jedoch, die weitere Planung spontan am Telefon zu machen.
Dann doch noch die bange Frage des Freundes nach meinem werten Befinden: Gemäss meiner Mail sei ich ja den Zürich Marathon gelaufen und vermutlich topfit und hätte keinerlei Probleme...
Alles relativ, erzähle ich ihm, denn inzwischen sei mein Zustand ein anderer und ich erhalte erneut eine Chemotherapie. Das hätte er sich gedacht, denn meine Stimme höre sich müde an. Das sei einfach Scheisse, mehr fällt ihm dann dazu nicht ein und kurz darauf ist das Gespräch abrupt zu Ende. Er werde sich wieder melden...

Als ich nach dem Gespräch mit Freund J. das Telefon traurig aufgelegt hatte, fuhr es mir durch den Kopf: Bin ich schon tot oder vielleicht diese Feundschaft?

Vieleicht gehen durch eine schwere Erkrankung Freundschaften zu Ende oder sie sind schliesslich am Ende. Aber glücklicherweise können bestehende auch gestärkt werden und es kommen sogar einige neue Freundschaften dazu. Trotz der Krankheit. Oder wegen der Krankheit.






Sonntag, 24. Mai 2009

Weekly

Am Montag war es also soweit. Ich sollte meine erste Chemotherapie mit dem sinnigen Namen „Taxol Weekly“ verabreicht kriegen! Begleitet von meinem Mann begab ich mich in die Maternité des Stadtspital Triemli. Im Ambulatorium begegnete ich zwei Mitpatientinnen, die ich bereits aus meiner Zeit meiner ersten Chemotherapie-Zyklen kannte. Bei solchen Begegnungen wird mir sehr viel Mitgefühl und Solidarität von den Leidensgenossinnen entgegengebracht. So unterschiedlich die Persönlichkeiten der Langzeitpatientinnen auch sein mögen, der Krebs ist unsere verbindende Gemeinsamkeit und schweisst uns zusammen...
An diesem Montag bin ich die letzte Patientin, die eine Chemotherapie verabreicht kriegt. Nachdem die verschiedenen Glücksgaben in mein System geträufelt sind, stehen die Zeiger der Uhr bereits auf 16.50 Uhr. Ich verlasse in schläfrigem Zustand die Maternité und male mir aus, wie das Taxol Weekly meine teillustigen Krebszellen zu zerstören beginnt...
Nebenwirkungen? Am Dienstag fühle ich mich immer noch ein bisschen schläfrig und ich bewege mich einwenig schwankend vorwärts, Seemannsgang.
Mein Hirn ist in Watte gepackt, meine Reaktionsfähigkeit den Umständen entsprechend verlangsamt. Ich ernähre mich mehrheitlich von Erdbeeren und mein Appetit darauf ist ungebrochen. Erdbeeren auf Brot, Erdbeeren mit Jogurt, Erdbeeren über alles...
Mein Mann kann die roten Früchte schon gar nicht mehr sehen. Deshalb hat er mich am Samstagabend zum Abendessen in den Bederhof eingeladen, weil er weiss, dass ich den Pommes Allumettes ganz bestimmt nicht widerstehen kann!






Sonntag, 17. Mai 2009

Leberfleck

Seit letzten Mittwoch weiss ich es.
Die schlechte Nachricht: Auf dem Thorax CT ist in meiner Leber je nach Bickwinkel ein leicht dunkler Fleck sichtbar. Es handelt sich um eine Metastase, wie mir mein Onkologe D. zusammen mit der Ärztin E. erklärt und einfühlsam beigebracht hat. Diese Nachricht kommt an und trifft mich mitten ins Herz. Ich bin wütend und weine. Ganz spontan tröstet mich mein Onkologe. Ich habe mir so sehr gewünscht dass meine Organe noch lange verschont bleiben würden. Jetzt, nach zwei Jahren, findet sich ein Fleck, wo keiner hingehört. Ein unerwünschter Leber-Fleck. Nichts fiele mir leichter als diesen Fleck mittels Photoshop aus dem CT-Bild zu entfernen. Doch dieser Fleck lässt sich nicht so einfach weg retuschieren.
Für einmal wünsche und male ich mir in meiner Fantasie aus, dass die CT-Bilder versehentlich verwechselt worden sind und die abgebildete Leber überhaupt nicht die meine ist...
Am Montag beginne ich mit einer neuen Chemotherapie. Taxol wird mir wöchentlich, dreimal hintereinander verabreicht. Dann folgt eine Pause von einer Woche, damit sich meine Blutwerte erholen können. Dann beginnt das Ganze wieder von vorne. Meine Haare werde ich dieses Mal nicht verlieren, und ich hoffe, dass ganz viele sich teilende Krebszellen zerstört werden!

Die gute Nachricht: Meine Knochen sind nicht bruchgefährdet, wie die Röntgenaufnahmen ergeben haben. Und glücklicherweise sind meine Lungen noch metastasenfrei! Nichts hält mich also davon ab, weiterhin durch die Natur zu joggen und dadurch meine Bodenhaftung zurück zu gewinnen!






Sonntag, 10. Mai 2009

Von Pusteblumen und anderen Blumen

Diese Woche kam meine Freundin P. aus den Ferien in Vietnam zurück. Ich machte ihr einen Nachmittagsbesuch und brachte ihr einen kleinen Blumenstrauss. Trotz ihrer Erkrankung in Vietnam, sie musste sogar einige Tage im Spital in Saigon verbringen, fand sie Zeit für mich Grüntee aus dem fernen Osten zu besorgen und mich damit zu beschenken, was mich riesig gefreut hat! (Sie weiss von meiner Vorliebe für Grüntee und brachte mir schon aus Japan den wunderbarsten Grüntee mit.) Dieses Mal Grüntee mit Jasmin-geschmack und ein ganzes Packet voller Teeblumen. Nach dem Aufgiessen öffnet sich die Teekugel mit Blüte und entfaltet ihr volles und reiches Aroma.

Wir verbrachten zusammen einen wunderschönen Nachmittag. Das war mein Blumenhighlight dieser Woche. Tags darauf das Blumenerlebnis der traurigen Art!

Die Resultate meiner Untersuchungen von letzter Woche zeigten, dass sich auf meinem Skelett die Metastasen erneut gestreut und ausgebreitet haben, als hätte ich in ein Feld von Pusteblumen geblasen. Pusteblumen überall, verdammt noch mal, als gäbe es nur Pustelblumen auf dieser, meiner Welt!
Dazu kommt, dass meine Knochen durch die Metastasierung bruchgefährdet sein könnten – aber hallo, vor zwei Wochen lief ich doch meinen ersten Marathon!
Mein Strahlen (siehe letzten blog) ist zumindest vorübergehend verblasst. Die Resultate haben viel Licht ins Dunkle gebracht. Mehr als mir lieb ist. Vieles geht mir durch den Kopf – eine erneute Chemotherapie ist unausweichlich, aber auch meine grosse Chance Zeit zu gewinnen.
Im Moment schaukle ich wie eine Teeblüte orientierungslos der Bewegung des Wassers folgend über die Oberfläche und drehe mich dabei um meine eigene Achse ohne vorwärts zu kommen. Ich habe meine Bodenhaftung verloren!






Sonntag, 3. Mai 2009

Strahlen

Am letzten Sonntag brachten mich meine Leistungen zum Strahlen (Blog vom 26. April 2009). Die Ausschüttung an Glückshormonen war unübersehbar!

Am Montag strahle ich noch immer über das ganze Gesicht, als ich mich für die angeordnete Abdomen-Computertomographie ins Triemlispital begebe. Der Inhalt des Fläschchens Telebrix zirkuliert bereits seit Sonntagabend in meinem Kreislauf und mit dem zusätzlich injizierten Kontrastmittel beginne ich sozusagen aus dem Innern meiner Selbst zu strahlen.
Die nach aussen austretende Strahlung wird mit speziellen Kameras erfasst und von Computern in Bilder umgerechnet. Am Ende der Untersuchung steht das Resultat nicht fest. Keine Entwarnung, rein gar nichts. Dieses Mal verlasse ich den Untersuchungsraum ohne Grobdiagnose! Scheissgefühl.

Am Dienstag begebe ich mich erneut ins Triemli für eine Knochenszintigraphie. Zwei Stunden vor der Szintigraphie wird mir eine markierte Kontrollsubstanz in die Armvene gespritzt. Sie reichert sich in den Knochen und Gewebe an. Ich strahle schon wieder und/oder sende Strahlen aus! Die Radionuklide senden Gamma-Strahlen aus, die mit einer Gamma-Kamera registriert werden. Krebszellen weisen eine höhere Aktivität aus, lagern mehr Radionuklide ein, senden deshalb mehr Gamma-Strahlen aus. Dies wird im Szintigramm sichtbar (Metastasen = hohe Dichte von Gammastrahlen; schwarzer Fleck = Metastase)
Nach der Untersuchung gibt mir der zuständige Arzt anhand der neuen und alten Bilder eine Grobdiagnose. Die schwarzen Flecken haben sich laut Dr. H. wieder verdichtet und ausgebreitet. Die Krebszellen sind wieder aktiv.
Für seine Offenheit bin ich ihm dankbar. Ich bin über das Resultat nicht sehr erschüttert, denn es war irgendwie zu erwarten. War da nicht bereits mein hopsender, spezifisch-unpezifischer Freund mit dem Namen Tumormarker ein Vorbote!? Jetzt warte ich erst mal das Gespräch mit meinem Onkologen ab und strahle mindestens radioaktiv weiter...