Sonntag, 27. März 2011

Pulver verschiessen

Als mir meine Onkologin diese Woche mitteilte, dass mein TM einen kleinen Schritt angestiegen sei, schlug sie mir vor, mit Einnahme von Aromasin® fortzufahren, trotz der unliebsamen Nebenwirkungen. So gewinnen wir Zeit, denn mit jedem Medikament, das gegen meine Tumoraktivität eingesetzt wurde, schwindet das Angebot von den zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten. Zum jetzigen Zeitpunkt auf ein anderes Medikament umzustellen würde heissen, unnötig "das Pulver zu verschiessen", so ihre Worte.

Für einen kurzen Moment purzeln in meinen Gedanken explosionsartig Hunderte von Aromasintabletten im Konfettireigen durch die Luft!

In Zeiten wie diesen, wo wir täglich mit Berichterstattungen über bürgerkriegsähnliche Zustände in Lybien und dem Kampf gegen die Atom-Katastrophe von Fukushima konfrontiert werden, scheint mir die Verwendung von Begriffen aus dem Kriegsvokabular, die im Zusammenhang mit Krebs verwendet werden, irgendwie noch absurder, als ich sie schon sonst empfand.
Betroffene sagen dem Krebs in unterschiedlichsten Variationen den Kampf an und die ÄrztInnen planen für uns Betroffenen die wirkungsvollsten Kampfstrategien mit der richtigen Wahl aus ihrem Waffenarsenal.
Nein, weder kämpfe ich noch führe ich einen Krieg gegen den Krebs! Ich habe mich seit Ausbruch meiner Krankheit dazu entschlossen, mit Krebs in einer Koexistenz zu leben. Mal besser, mal schlechter...

PS: Um das Vokabular zu vervollständigen: Nebenwirkungen sollte man konsequent als "Kollateralschäden" bezeichnen...






Sonntag, 20. März 2011

Während ich schlief

Wenn nötig mache ich jeweils am Nachmittag ein Nickerchen, um meine entladenen Batterien wieder aufzuladen.
So auch an diesem Samstagnachmittag, als ich mich auf unserem neuen "Notbett" einem ausgiebigen Nachmittagsschlaf hingebe, während mein Liebster auf der Tastatur meines Notebooks den Audio-Background liefert. Tipp, tipp, tipp...

Bis ich wieder erwache rücken die Zeiger der Uhr eine ganze Stunde vor. Noch ein wenig schlaftrunken gucke ich meinem Liebsten über die Schultern auf den Bildschirm. Er hat, während ich schlief, auf meinem Desktop eine Überraschung hinterlegt.
Und was für eine! Schnell kann ich einen neuen Ordner mit dem Namen "Bob Dylan" ausmachen. Darin befindet sich die Bestellbestätigung für 2 Tickets an das Konzert vom Bobster im Juni in Mainz.

Die Wahl des Hotelzimmers überlässt er mir. Wir buchen ein Zimmer mit Ausblick auf den Rhein. Diesen werde ich während meiner nächtlichen Schlafstörungen und Schweissausbrüchen sicher angenehm zu schätzen wissen. Ich freue mich riesig auf diese Perle!






Sonntag, 13. März 2011

Aus dem Lot

Letzten Freitag renne ich durch die Strassen der Stadt, über einen Teppich von vielfarbigen Papierkonfetti.
Im Wald angekommen kitzelt mich der üppig riechende Bärlauch in meinen Nasenflügel. Frühlingsdüfte überall! Und ich kann sie riechen.
Bei Kilometer 3.5 kreuzt ein Eichhörnchen meinen Weg und flüchtet vor mir über am Boden liegendes Tannenreisig, bewegt sich vertikal einen Baumstamm entlang in schwindelerregende sichere Höhe zum Ende des Wipfels. In gewohntem Tempo bewege ich mich in horizontaler Richtung weiter Kilometer für Kilometer.

Anderswo bebte zu dieser Zeit die Erde. Ob vertikal oder horizontal, vieles brach auseinander und liess manchem Menschen keine Fluchtmöglichkeit mehr... Wie ich über Facebook erfahre, sind alle unsere Freunde in Japan wohlauf.






Samstag, 5. März 2011

Gedopt!

Meine Onkologin Dr. St. meint, dass ich eine Unverträglichkeit gegen das steroidale Exemestan (Aromasin®) haben könnte.
Begriffe wie Steroide, steroidal, nicht-steroidal lassen mich als Hobby-läuferin aufhorchen und rufen in mir Bilder von Muskelprotzen, Muskelpaketen und "Bitch-Tits" wach.
Aromasin® und Femara® sind gemäss aktueller Dopingliste, Arzneimittel die sowohl im Wettkampf als auch ausserhalb des Wettkampfes verboten sind!

Es ist zu hoffen, dass mein steroidales Dopingmittel wirkt! Mein Tumor-marker zeigt diesbezüglich noch nicht in die gewünschte Richtung — er hat sich buchstäblich nach oben gedopt! Ich wünschte es wäre anders...
Frau St. beruhigt mich und meint, dass eine zusätzliche Blutentnahme zur Bestimmung des TM zeigen wird, ob das Medikament sich über längere Zeit erfolgreich entfalten kann und der TM sich beim letzten Wert schliesslich einpendeln wird...
So werde ich in den nächsten drei Wochen täglich die "üblen" Aromasin-Dragées einnehmen, um mit meiner gedopten Muskelkraft mich bald wie Wonder Woman zu fühlen...