Sonntag, 10. Juli 2011

Kleinhirn in Nöten

Am Donnerstagnachmittag liege ich beweglos mit Gehörschutzstöpseln versehen während einer guten halben Stunde auf einer Liege. Die ohrenbetäubenden klopfenden Geräusche des Magnetresonanztomografen dringen trotzdem in meinen Gehörgang. Meine Hände ruhen auf der Bauchdecke und ich nehme die pochende Bauchschlagader wahr. Mein Herz hämmert aufgeregt im Takt der klopfenden Geräusche...

Am folgenden Morgen klingelt das Telefon. Als ich die Stimme meiner Onkologin Frau St. vernehme, ahne ich nicht Gutes! Kompetent und auf eine gute Art und Weise klärt sie mich über die schlechten Untersuchungsrgebnisse meines Hirn-MRIs vom Donnerstag auf.
In meinem Kleinhirn haben sich nun doch Metastasen gebildet. Einmal mehr kullert mir das Wort Scheisse aus dem Mund! Meine Ärztin meint, jeder weitere Tag ohne therapeutische Gegenmassnahme sei einer zuviel!
Mit meinem Liebsten (er hat sich extra von der Arbeit freigemacht) sitze ich schon am Mittag meinem Careteam aus der Frauenklinik Maternité gegenüber. Wir werden über die Situation genau aufgeklärt. Unsere Fragen werden beantwortet und das weitere Vorgehen wird besprochen.


 
 

Die MRI-Bilder sind mehr als nur beeindruckend. Meine Metastasen sind in allen unterschiedlichen Bilddarstellungen unübersehbar. Sie bringen mein Kleinhirn in Bedrängnis.
Einmal mehr bin ich ein Notfall! Meine Chemotherapie mit Xeloda wird vorübergehend unterbrochen und ich werde neu mit "Vollmondgesicht"-Tabletten versorgt. Sie haben entzündungshemmende Wirkungen gegen unliebsame Nebenwirkungen der Bestrahlung. Meine Kleinhirn-Metastasen werden bereits am späten Nachmittag erstmals bestrahlt.


 
 

Ich bin traurig. Es beschäftigt mich sehr, dass die Metastasen nun auch in meinem Kleinhirn zu wachsen begonnen haben! Das Kleinhirn ist unter anderem für die Feinabstimmung und Koordination von Bewegungsabläufen zuständig. Im Schädel ist nun wirklich kein Platz für unliebsame Krebszellen, die mein Kleinhirn einfach gesagt zusammenquetschen!
Ich hoffe, dass sich die Metastasen nach insgesamt zehn Bestrahlungssitzungen verkrümeln werden. Ich hoffe, dass mein Kleinhirn danach seinen Platz wieder zurückerobert. Erst wenn auf den neuen MRI-Bildern "nichts" mehr zu sehen ist, kann ich mich glücklich schätzen und meine schwindelerregenden Zustände gehören der Vergangenheit an!
Obwohl ich mir im Klaren bin, dass sich die Krebszellen wie Schläfer verhalten und irgendwann wieder aufwachen werden...

Cogito ergo sum — Ich denke also bin ich (noch?) (René Descartes)
Alle Fotos: B.Zgraggen