Sonntag, 7. November 2010

Geschmacksverstauchung

Das Zytostatika Navelbine (Zytos = Zelle; statikos = hemmen) lässt meine Tumormarkerwerte weiter absinken.
Ich habe bereits vier von insgesamt sechs vorgesehenen Zyklen hinter mich gebracht.

Kein Medikament ohne Nebenwirkungen! Nebst meiner morgendlichen Antriebslosigkeit, dem leichtem Schwindel und der Gelenkschmerzen leide ich inzwischen immer mal wieder an juckenden Hautveränderungen auf meinen Handflächen und gelegentlichen Krampfanfällen in Fingern und Fusszehen...

Während meiner bisher erhaltenen Chemotherapien blieb ich glücklicherweise von Geschmacksstörungen verschont. Jetzt aber sind sie da! Nachdem ich jeweils meinen Cocktail erhalten habe, lässt meine Zunge und mein Gaumen die Erinnerungen an vermeintlich Köstliches wie Seifenblasen zerplatzen. Süsses schmeckt weniger süss und bitteres kann bitterer schmecken.

Der mit gerösteten Reiskörnern angereicherte Grüntee, mein Lieblingstee, hinterlässt in meinem Gaumen einen unangenehmen Geschmack von Metall. Der Apfel schmeckt viel saurer als ich es gewohnt war (zu meiner Freude aber neutralisiert er den Geschmack von Metall in meinem Gaumen).
Das Jogurt, die Banane, die Kartoffel schmeckt - wie so vieles andere - einfach nur nach Karton!
Mein Geruchssinn lässt mich zeitweise aus der Küche flüchten, wenn herrliche Essensdüfte in alle Himmelsrichtungen strömen!
Wäre da nicht der italienische Weichkäse mit dem wohlklingenden Namen "Gorgonzola Cremoso Oro", der auf meiner Zunge vertraute, salzige, cremige Spuren hinterlässt, ich müsste über meine Geschmacksverstauchung verzweifeln!

Ob Metall oder Karton — ich achte nach wie vor darauf, mich ausgewogen zu ernähren und versuche meine Geschmacksnerven, wenn irgendwie möglich, zu kitzeln und zu überlisten!