Mittwoch, 29. Dezember 2010

Erkältung

Kaum hatten sich die letzten Nebenwirkungen meiner abgeschlossenen Navelbine Chemotherapie verzogen und am Horizont hatte sich ein Hoffnungsschimmer von Normalität abgezeichnet, wurde ich während des weihnachtlichen Schneetreibens unvermittelt von einer gewöhnlichen Erkältung überrascht. In meiner Nase und meinen Bronchien hatten sich ungebetene Viren oder Bazillen ausgebreitet und machten mir das Leben schwer!

Ich zog mich wie ein Siebenschläfer für einen vorübergehenden Winterschlaf zurück. Gut eingerollt unter einer wärmenden grauen Decke hoffte ich, schlafend diesen Zustand zu überwinden...
Kurz vor dem Jahreswechsel verliess ich noch einmal mein Lager, um ein weiteres Mal meine intravenösen Therapien zu empfangen, auf diese bin ich angewiesen und darf sie keinesfalls verschlafen!
Während draussen die Stadt langsam unter einer Schneedecke versank, sank ich samt meinen medikamentösen Gaben erneut in einen tiefen, langen Dauerschlaf...
Und träumte davon, ein Siebenschläfer zu sein.





Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die über achtmonatige Winterpause eines Siebenschläfers sogar bis zu zehn Monate pro Jahr dauern kann. Ein wahrer Weltmeister unter den Winterschläfern.

In seinen buschigen Schwanz gewickelt rollt er sich im Herbst zusammen und wacht erst wieder auf, wenn ab Mitte Mai die Natur zum Essen ruft. Kurz nach dem Erwachen entscheiden die Nager, ob es ein lohnendes Jahr für die Familiengründung wird oder nicht.
In fetten Jahren, wenn ihnen die Natur ein energiereiches Nahrungs-angebot bieten kann, bleiben sie wach.
In mageren Jahren dagegen erhebt sich ein Teil der Tiere lediglich für zwei Wochen vom Lager, frisst das Nötigste und schläft dann auch über den Sommer hinweg.
Im Herbst erwachen sie noch einmal, um sich kurz und fettreich zu ernähren und dann bis zum nächsten Frühling weiter zu ruhen.
Dieser lange Winterschlaf beschert den Siebenschläfern ein langes Leben, das sie offenbar ihrem Lebensinhalt verdanken: viel Schlaf, wenig Sex.






Samstag, 18. Dezember 2010

Stabilisiert

Im Zielraum des Silvesterlaufes vom 12. Dezember 2010 nahm ich dankbar eine Banane und eine Getränkeflasche mit dem treffenden Namen "Bio-Glückstee" in Empfang. Ich hatte diesen letzten Lauf des Jahres unter den Vorgaben meines virtuellen Trainingssystems absolviert und war so mehr als zufrieden mit meiner Leistung!
Gestärkt durch den Bio-Glückstee und bestens versorgt mit Glücks-Hormonen konnte ich der kommenden CT Untersuchung mit Zuversicht entgegenblicken.

Als mir das Röntgenkontrastmittel in die Vene gespritzt wurde, strömte ein warmer Schauer durch meinen Körper und so nahm die CT-Untersuchung ihren gewohnten Lauf, wie schon so viele Male zuvor.
Nun würde sich bildlich zeigen wie erfolgreich sich die Navelbine-Therapie auf meine Metastasen auszuwirken vermochte.

Drei Tage später konnten mir meine beiden Ärztinnen Frau S. und P. die guten Resultate des CTs mitteilen und das weitere Vorgehen meiner Behandlung besprechen.
Meine Knochenmetastasen haben sich ein wenig zurückgebildet und es sind keine zusätzlichen Herde aufgetaucht. Meine Lebermetastase ist geblieben, aber sie hat sich zumindest nicht weiter ausgebreitet. Nichts, was nicht schon da gewesen wäre, aber auch nichts Neues! Durch die Chemotherapie und das Herceptin wurde der Verlauf meiner Krankheit bis auf weiteres stabilisiert.
In Zukunft werde ich weiterhin mit Herceptin und Zometa versorgt. Ob die Einnahme von Aromatasehemmer sowie der Zoladex-Spritze noch nötig sein werden, hängt von meinem Hormonspiegel ab, der noch zu ermitteln ist...

An diesem Abend feierte ich zusammen mit meinem Liebsten dieses wunderbare Weihnachtsgeschenk und gönnte meiner Lebermetastase eine kurze, aber prickelnde Prosecco-Dusche...






Samstag, 11. Dezember 2010

Wahre Schönheit kommt von Innen!?


Seit meiner Erkrankung vor über vier Jahren haben sich auf meinem Gesicht, mehrere Falten, und Krähenfüsse gebildet! Auf meinem Kopf blitzen da und dort gut sichtbare silbergraue Strähnen aus dem dunkelblond meiner Kurzhaarfrisur hervor. Mich wundert das nicht, denn schliesslich bin ich mit Hilfe von Medikamenten in eine verfrühte Abänderung geschickt worden und diese hinterlässt unliebsame Spuren des Alterungsprozesses. Zudem lassen mich die Nebenwirkungen meiner Therapien jeweils auch nicht gerade taufrisch aussehen!
Es gibt immer wieder Tage, an denen ich nicht in den Spiegel blicken mag, weil ich mich in meinem eigenen Spiegelbild nicht wieder erkennen kann oder ich mich geradezu vor meinem Aussehen fürchte. Meine Krankheit lässt mich manchmal so richtig schei..e aussehen!

Da kommt mir das Angebot einen Workshop von Look Good - Feel Better zu besuchen gerade richtig .
Gemeinsam mit sechs Krebspatientinnen nehme ich in der Maternité an diesem zweistündigen Kurs teil. Unter der Anleitung von freiwilligen Berufsfachfrauen erhalten wir Tipps zur Hautpflege und zum Schminken während einer Chemotherapie. Jede Patientin erhält eine weisse Geschenktasche mit Hautpflege- und Make-up-Produkten, was wir zu schätzen wissen!
So werde ich in Zukunft meiner Schönheit von Aussen etwas nachhelfen, auch wenn bekanntlich wahre Schönheit von Innen kommt...






Samstag, 4. Dezember 2010

Aussätzig

Diese Woche sitze ich mit vielen werdenden Müttern und einigen Begleitvätern im Wartezimmer der Maternité, das werdende Leben wölbt sich mir kugelförmig entgegen.
Nach der Besprechung richte ich mich mit meinem fliegenden Teppich im weihnachtlich geschmückten Ambulatorium ein. Der Termin für das bevorstehende CT und den Besprechungstermin einige Tage später steht fest! Doch zuerst erhalte ich meine Infusion mit Herceptin und meine letzte Chemotherapie mit Navelbine.

Unvorhergesehen verzögert sich die Abgabe meiner Infusionen bis in den späten Nachmittag. Das stört mich nicht weiter, denn wie immer habe ich ein Buch dabei. Als die letzten Tropfen des Herceptins kurz vor fünf durch das Schläuchlein träufeln betätige ich die Klingel. Einmal, zweimal...
Eine in weiss gekleidete Pflegefachfperson steht - hochschwanger - in mindestens zwei Metern Entfernung vor mir und fragt, weshalb ich geläutet hätte. Ich bitte sie, mir die Pflegefachfrau B. herbei zu rufen, damit sie mir Chemotherapie anhängen könne. Doch sie kann sie nicht finden.
Ich bitte sie höflich, ob sie nicht wenigstens nachsehen könnte, ob die Salzlösung noch genügend tropft. Mit einer ablehnenden Geste wirft sie die Arme in die Höhe. Leicht hysterisch gibt sie mir, immer noch mit Sicherheitsabstand, zu verstehen, dass sie hier aber auch rein gar nichts antaste und verändere, schliesslich sei sie Hebamme, zudem hochschwanger und wisse was Chemotherapie bedeute. Dabei wolle sie mir nicht zu nahe treten...
Hat sie aber mit voller Wucht! Ich bin nicht ansteckend, aussätzig und leprös. Und mein Infusionsständer ist auch keine Sprinkleranlage, die Zytostatika versprüht!
Schliesslich kriege ich doch noch meine Navelbine-Infusion und werde von den Pflegefachfrauen getröstet. Für heute habe ich genug von Frauen mit Bäuchen voll prallen Lebens und flüchte in die Nacht!