Sonntag, 28. August 2011

Hurrikan Irene

Diese Woche lese ich tagtäglich über den Hurrikan, der meinen Namen trägt.
Hurrikan Irene: Chaos an der US-Ostküste erwartet
Hurrikan Irene steuert auf New York zu
Hurrikan Irene bedroht US- Ostküste...

In meinem Fall könnte das so lauten:
Hurrikan Irene: Chaos im Oberstübchen...
Hurrikan Irene lässt die Hämmerchen im Hirn klopfen...
Hurrikan Irene bedroht Hirnlandschaft...
Na dann:
Goodnight Irene (Johnny Cash)

Apropos "Chaos": Seit ich von meinen Hirnmetastasen weiss, bin ich daran, meine Sachen zu ordnen und zu regeln. So suche ich nach und nach für viele meiner Dinge, die sich im Verlauf eines Lebens angesammelt haben, ein neues Zuhause.

Zudem haben mein Liebster und ich auf dem Notariat einen Erbvertrag unterzeichnet und uns gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Da gibt es nun keine Missverständnisse mehr...

Auch meine Patientenverfügung liegt für alle Fälle griffbereit!
Es macht mich zufrieden, dass ich diese Entscheidungen bei vollem Bewusstsein erledigen und treffen kann. Ich bin gut vorbereitet auf den Hurrikan...
Goodnight Irene (Johnny Cash)






Samstag, 20. August 2011

Höhenmeter

Erstmals nach der Bestrahlung meiner Metastasen im Kleinhirn vor einem Monat fühle ich wieder mehr Kraft und Energie. Mein Liebster meint skeptisch, ich hätte schon wieder Flausen im Kopf...

Die Freude über die zurückgewonnene Kraft ist gross.
Einem Tagesausflug nach Grindelwald in dieser Woche sehe ich zuversichtlich entgegen.

Zusammen mit Freundin M.B. reisen wir früh am Morgen ins Berner Oberland. Im Speisewagen bestelle ich zur Stärkung meiner Kräfte ein Rührei!
In Grindelwald besteigen wir eine Gondelbahn, die uns auf den Männlichen (2216 m.ü.M) schaukelt.
Wir geniessen die traumhafte Aus- und Fernsicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Erstmals in meinem Leben bestaune ich diese drei Berge vor Ort und verstehe nur zu gut, dass sich kein Tourist aus Japan oder China diese Sehenswürdigkeiten entgehen lässt...

Ich beklatsche als einzige einen hier oben ankommenden Läufer, der vermutlich für den Jungfrau-Marathon trainiert. Freudig winkt er zurück. Ich weiss, was es heisst, zu rennen. Und was für eine zusätzliche Leistung, so viele Höhenmeter zu überwinden!
Leicht beduselt ergreife ich die Hand meines Liebsten. Meinem Hirn bekommt die Höhe nicht so gut. Ein buchstäblich schwindelerregender Ausflug. Ich möchte wieder runter ins Tal.
Den grössten Teil unserer Rückreise verschlafe ich. Und auch am nächsten Tag tauche ich immer wieder ins Land der Träume ab, wo meine Kräfte noch unerschöpflich sind und wie zuvor!

Foto: B. Zgraggen Vom Männlichen aus gibt es noch andere Berge zu bestaunen! 
 





Sonntag, 14. August 2011

Leben

Schon wieder habe ich innerhalb einer Woche gute 2 Kilos mit unermüdlichem Futtern zugelegt!
Mein Liebster versorgt mich den ganzen Tag mit kalorienreichem Essen.
Aber mein Gang ist noch immer unbeholfen und unsicher wie zuvor. Meine Onkologin Frau St. ist aber sehr zuversichtlich. Sie meinte, dass mein Hirn durch die starke Bestrahlung im Moment traumatisiert sei und viel Zeit brauche sich erholen zu können. Diese Erholungszeit müsse ich mir gönnen.

Am Mittwoch gab es Besuch von der Fachstelle für Palliative Care der Spitex Zürich. In einer ersten Kontaktaufnahme hat mich Frau R.M.W. über die Möglichkeiten einer palliativen Pflege zu Hause aufgeklärt.
Obwohl das "Ende der Fahnenstange" mit meiner derzeitigen gesundheitlichen Besserung wieder ein wenig mehr in die Ferne gerückt ist, bin ich froh, dass für den Notfall bereits alles aufgegleist ist.

Heute Morgen lese ich zum x-ten Mal den gesprayter Schriftzug über zwei schwarzen Containern: Leben? Ja, ich möchte noch leben!






Sonntag, 7. August 2011

Futtern

Ich bringe erfreulicherweise innerhalb einer Woche gut 2 kg mehr auf die Waage. Ein Medikament hilft mir dabei. Es kurbelt sehr effizient meinen Appetit an. Die üblen Nebenwirkungen meiner Hirnbestrahlungen ziehen sich von Tag zu Tag zurück. Aber noch immer bin ich mit Hilfe meines Stockes unterwegs, und das nur sehr langsam...
Mich fortzubewegen ist anstrengend — ich, die Marathonläuferin!

Mein momentaner Lebensinhalt besteht darin ausgiebig zu futtern.
Noch vor einer Woche ernährte ich mich vorzugsweise von Pasta in unzähligen Variationen. Möglichst kalorienreich sollte meine Ernährung sein.
Am Morgen ein scrambled egg und zwei süsse Crêpes mit Zucker und oder Konfitüre.





Am Mittag eine erste Portion Pasta.
Am Nachmittag eine zweite Portion Pasta und am Abend eine dritte Portion Pasta...





Mittlerweile esse ich auch wieder "Gesundes" wie Gemüse und Salat. Mein Liebster und ich gingen daher in den Ausgang und schlemmten uns durch die exquisite Speisekarte unseres Lieblingsrestaurants.




Und vorzüglichst bekochte uns an diesem Wochenende dann noch unsere Freundin P.B. Erst beim Dessert - eine Mousse au Chocolat - musste ich einen Gang tiefer schalten, denn ich war schon ziemlich gesättigt. Wir haben es sehr genossen! Noch vor zwei Wochen hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Essen wieder Freude machen könnte...
Alle freuen sich über meinen ungezügelten Appetit, der mich die nötigen Kilos anfuttern lässt. Damit mein Körper in etwa einem Monat für eine neue Chemotherapie bereit sein wird, hoffentlich...