Sonntag, 28. Februar 2010

Von Zellen und Zimmern

Zellen:
Als ich diese Woche meinen Ärztinnen gegenüber sass, war ich innerlich darauf vorbereitet, dass mein Tumormarker ein weiteres Mal angestiegen sein könnte und ein Überdenken der Therapiemassnahmen in Erwägung gezogen werden müssten...
Obwohl ich mich richtig gut fühle, zeichnete mein TM in den letzten drei Monaten ein anderes Bild und lehrte mich immer wieder das Fürchten: er stieg kontinuierlich.
Umso erleichtert war ich dann auch, als mir "meine" Onkologin Frau H. mit einem Lächeln mitteilte, dass der TM signifikant gesunken sei und mir zu meiner Überzeugung das Datenblatt entgegenstreckte, auf dem schwarz auf weiss geschrieben stand, um wie viele Punkte der TM gesunken war! Die therapeutischen Massnahmen (Femara usw) zeigen nun also doch noch ihre positive Wirkung!
Diese Neuigkeit verschafft mir Raum und Zeit im Auf und Ab der Gefühle rund um meine Erkrankung...

Zimmer:
Seit dieser Woche liegt meine Schwiegermutter mit einem Beinbruch im Stadtspital Triemli. Mein Mann und ich besuchen sie. Im Zimmer mischen sich die Gerüche von Desinfektionsmitteln, Mahlzeiten und ungelehrten Nachttöpfen, es macht einen leicht desolaten und deprimierenden Eindruck. Hier findet die Intimsphäre allein und einzig unter der Bettdecke von 1.0 x 2.0m statt... Drastisch wird mir klar, dass ich meine Krankenhaustage - wenn es soweit ist - nicht in einem Viererzimmer in der allgemeinen Abteilung verbringen möchte!
Glücklicherweise wurde ich bisher in einem Einzel- oder Zweibettzimmer in der sanierten Frauenklinik des Stadtspitals untergebracht, obwohl ich nur allgemein versichert bin. Es ist mir aber bewusst, dass ich nicht immer auf dieses Glück zählen kann! Daher steht mein Entschluss fest, dass ich meinen Krankenversicherungsstatus in eine höhere Klasse ändern lassen werde. Ich werde Privatpatientin...






Sonntag, 21. Februar 2010

Wehwehchen

Seit meinen Chemo- und anderen Therapien heilen kleine Wunden nur sehr langsam. Meine "Schönheit" und "Befindlichkeit" leidet neu unter kleinen Wehwehchen. Wo sind nur meine Abwehrkräfte, die Zellen, die dazu beitragen Wunden zu heilen...

Trotz aufmerksamer Pflege während der Chemotherapie verlor ich die meisten meiner Fussnägel. Erst veränderten sie sich farblich und oder entzündeten sich ganz fürchterlich. Meine Abwehrkräfte konnten dagegen nichts ausrichten. Auch die Ärzte wussten keinen Rat um diesen bekannten und unliebsamen Nebenwirkungen mit einem Mittelchen zu Leibe zu rücken. Abwarten und erdulden — hoffentlich wächst nach der Therapie alles wieder nach, rechtzeitig auf die Sommerschuhsaison.
In meiner linken Nasenhälfte im Nasenvorhof klafft seit mehr als zwei Monaten eine kleine Wunde, die mir Nasenbluten beschert. Immer wieder löst sich die Verkrustung ab und ein kleines rotes Rinnsal bewegt sich in Richtung Oberlippe. Im Winter schnäuzt man sich öfters die Nase, so dass die Wunde immer wieder von neuem aufplatzt...
Mit einer Salbe halte ich mir die Schleimhaut feucht, aber bis jetzt hat diese nicht viel genützt.
Inzwischen habe ich das Gefühl, die Wunde in meinem linken Nasenvorhof sei übergross. Aber ein Blick in den Spiegel genügt um zu sehen, dass es sich dabei nur um eine sehr kleine Wunde handelt.
Aber wer will schon eine blutige Nase - und das unübersehbar mitten im Gesicht! Ist doch wirklich nicht unbedingt ladylike, auszusehen, als gehöre man zu Draculas Horrorkabinett? So erwarte ich sehnsüchtig den Frühling und hoffe, dass bis dann das Nasenbluten eine Episode der Vergangenheit ist!

Nachgestellte Szene






Sonntag, 14. Februar 2010

Gespür

Auf unseren Streifzügen durch Japans Keramikwelt mussten wir oft an unseren Bekannten Patrick Milliet denken, dem Keramiker, der auch köstlichen Matcha Tee zubereitet, den man am besten aus seinen wunderschönen Teeschalen geniesst.
Es war für uns klar, dass wir ihm im Oktober einen Postkartengruss aus dem Land der aufgehenden Sonne schicken würden. Einen exquisiten Grüntee hatten wir speziell für ihn mitgebracht.
Zu lange hatten wir ihn nicht mehr gesehen! Als wir ihn an der Weinbergstrasse mit unserem Geschenk überraschen wollten, war sein Schild "Patrick Milliet Keramik" zwar immer noch an der Fassade angebracht, aber das Haus war unbewohnt und stand leer. Wo mochte Patrick untergekommen sein?
Sein Telefonanschluss war nach wie vor in Betrieb, aber der Telefonbeantworter blieb stumm. Langsam hatten wir ein ungutes Gefühl, durchmischt mit leisen Vorahnungen, dass vielleicht etwas nicht stimmen konnte.
Wer konnte in unserem Bekanntenkreis mehr über den Verbleib unseres Bekannten wissen? Ein Telefongespräch mit unserer gemeinsamen Freundin D. H. brachte vorerst keine Klärung. Im Internet konnte ich aber seine neue Adresse ausfindig machen, er war tatsächlich umgezogen. Am folgenden Samstagmorgen, den 16. Januar 2010, standen wir vor seiner Haustüre und klingelten — erfolglos. Aber wir waren beruhigt zu wissen, wo wir ihn in Zukunft aufsuchen konnten.

Dann überbrachte uns D.H. letzten Montag die traurige Nachricht, dass Patrick im Krankenhaus verstorben sei. Und zwar just an jenem Samstag, an dem wir erfolglos vor seiner Haustüre standen, um ihm den Grüntee aus Japan zu bringen!
Man rauft sich die Haare und muss leer schlucken ob diesen unergründlichen Zufällen.
War es einfach nur Zufall oder waren wir in diesem traurigen Moment "übersinnlich" mit Patrick verbunden?
So seltsam mir dieses Geschehnis erscheinen mag, so tröstlich empfinde ich es zugleich, obwohl ich als rational denkender Mensch kaum für Unergründliches oder Übersinnliches empfänglich bin.

Wir sind traurig.
Den Grüntee für Patrick werden wir aus seinen wunderschönen Teeschalen trinken und an ihn denken.

Patrick Milliet, Teeschale 2005


 



Samstag, 6. Februar 2010

Glücksgabe

Am Infusionsständer baumeln zwei Plastikbehälter. Die NaCl-Lösung in einem Hartplastikbehälter, maschinell etikettiert. Das Herceptin® in einem weichen Plastikbeutel, von Hand beschriftet mit Namen der Patientin und Angabe zur Inhaltsmenge. Die beiden Infusionen sind farblich neutral nur durch ihre Behälter unterscheidbar. Spätestens die Abrechnung der Krankenkasse macht jedoch unmissverständlich klar, dass es sich bei der einen Lösung um eine äusserst kostbare Flüssigkeit handelt...Nachdem ich schon seit drei Jahren diese Kostbarkeit erhalten habe, sind die Nebenwirkungen äusserst gering geworden. Es kommt mir vor, als erhielte ich als Elixier irgend ein stilles Wasser...
So male ich mir beim Betrachten der nacheinander in mein Kreislaufsystem tropfenden Flüssigkeiten kleine Fantasiegespinnste aus:
Was, wenn das kostbare Elixier nichts als reine Kochsalzlösung wäre?
Was, wenn mir von Mal zu Mal an Stelle der kostspieligen 320 ml Flüssigkeit ein Placebo verabreicht würde?
Was, wenn irrtümlicherweise (unter Arbeitsstress oder so) die falsche farblose Flüssigkeit in den vermeintlich richtigen Infusionsbeutel abgefüllt würde?
Ein farbloses Nichts im Dreiwochenrhythmus! Eine Katastrophe...

Ich wünsche mir keine Katastrophen. Ich wünsche, dass viele unterschiedlich farbige Infusionslösungen an den Infusionsständern baumeln - als unverwechselbare Farbtupfer!
Eine meiner ersten Chemotherapien leuchtete camparirot unter einem orangefarbenen, lichtschützenden Plastikmantel hervor. Ich war beeindruckt und überzeugt, dass dieser "rote Cocktail" meinen Krebszellen erfolgreich das Fürchten lernen würde. Die Farbe unterstrich in ihrer Intensität die "Giftigkeit" des Medikamentes. Es war die einzige Chemotherapie, die im Unterschied zu Anderen von unverwechselbarer roter Farbe war. Psychologie und Farbe!

Meine Empfehlung an die Herren von Roche und Novartis: Zaubern sie Farbe in den grauen Patientenalltag! Entwickeln sie Farbkonzepte für ihre kostbaren, unverwechselbaren, intravenösen Flüssigkeiten! Bei den exklusiven Preisen dürfte ein bisschen Farbe doch drinliegen...