Samstag, 29. Januar 2011

Ganz einfach vergessen

Als ich im Januar 2007 die Diagnose metastasierender Brustkrebs erhielt, war das ein verhängnisvoller Tag, der mein Leben mit einem Schlag verändern und sich in meinem Gedächtnis festschreiben sollte...
Mit jedem zusätzlich gewonnenen Jahr wuchs (und wächst) meine Zuversicht, mich noch möglichst lange mit meinen Metastasen auf eine lebenswerte Art und Weise arrangieren zu können.
So verging bisher kein Jahrestag, an dem ich mich nicht an jenen verhängnisvollen Tag im Januar erinnerte. Doch dieses Jahr hatte ich ihn einfach vergessen, verdrängt vielleicht, was auch immer...
Mag sein, dass inzwischen der Krebs und mein Umgang mit dieser Krankheit Teil von mir geworden und deshalb der Jahrestag der Diagnose von damals in weite Ferne gerückt ist.
Dabei ist doch der fünfte Jahrestag ein kleiner Etappensieg auf dem Highway des Überlebens!




Sonntag, 23. Januar 2011

Postmenopausal

Der Winter ist zurück - und die Aromatasehemmer. Die neuen Resultate meines Hormonstatus: ich befinde mich noch immer in der "Lebensphase danach", das heisst in der Postmenopause (lat. post = nach).
In meinen Eierstöcken werden kaum mehr Östrogene gebildet, dafür aber in meinem Fettgewebe! Verantwortlich ist ein Enzym, das als Aromatase bezeichnet wird und durch Medikamente, sogenannte Aromatasehemmer, blockiert werden kann. Diese Aromatasehemmer - zwischenzeitlich abgesetzt - sind jetzt also wieder zurück. So erwache ich während der Nacht zwei bis dreimal schweissgebadet und glühend wie ein Kohlenbrikett. Am Morgen fühle ich mich entsprechend knittrig.

Dazu ächzen meine Knochen und Glieder weiterhin schmerzerfüllt.
Ist dagegen denn überhaupt kein Kraut gewachsen? Meine Onkologin weiss Rat und verschreibt mir Calcimagon D3-Forte. Das Präparat soll helfen meinen Knochenstoffwechsel positiv zu beeinflussen und meinen Mineralstoffhaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen...
Die Kautabletten mit Zitronengeschmack mag ich zwar nicht kauen. Ich löse sie im Wasser auf (darf man laut Beipackzettel) und trinke die trübe Brühe. Na, dann runter mit der Kröte.

Während des Langstreckentrainings vom Dienstag verliere ich auf der vereisten Wegstrecke die Bodenhaftung. Ich falle und gleite bäuchlings einige Meter vorwärts. Die Knochen halten...






Sonntag, 16. Januar 2011

Lauf der Dinge

Heute absolvierte ich ein erstes, langes Lauftraining für den bevorstehenden Marathon im April.
Obwohl ich am Morgen keinen Appetit hatte, nahm ich ein kleines vitaminreiches Frühstück in flüssiger Form ein, dazu die obligate Schmerztablette gegen demotivierende Rückenschmerzen.
Ich öffnete meine Haustüre als ein Tross von "CityRunning Weekend" mit beachtlichem Tempo und freundlich grüssend an mir vorbei huschte. Ein gutes Zeichen...
Hoch motiviert startete ich durch das nebelverhangene Zürich in Richtung Allmend Brunau, wo ich gewohnheitsmässig einem Rotmilan, einem Bussard, einem Fischreiher und vielen emsigen Krähen begegnete.
Als ich über die Stadtgrenze hinaus dem Gewässer Sihl entlang joggte, brach bereits das erste Sonnenlicht durch die Nebeldecke. Nach mehr als einer Stunde strahlte mir die Sonne zaghaft wärmend ins Gesicht und nach einer weiteren Stunde war der Himmel blau und in den Bäumen zwitscherten die Vögel um die Wette, als wäre es schon Frühling. Was für ein Naturspektakel, was für ein schöner Morgen!
Ich war gut unterwegs und konnte das vorgesehene Tempo halten, so dass ich nach etwas mehr als zwei Stunden und 22 Kilometern in den Beinen beflügelt und glücklich mein heutiges Training beendete.
Bis zum Marathon werde ich noch unzählige kurze und lange Läufe absolvieren müssen und hoffe, dass der Krebs kein Spielverderber sein wird.






Sonntag, 9. Januar 2011

Dicke Post

Ausgerechnet zum Jahresende erreichte mich dicke Post der SVA und ich kann sagen, es ist wahrlich nicht das, was man sich zum Jahresende wünscht.
In dem Schreiben wurde mir angekündigt, dass gemäss Revision der Invalidenrente mein derzeitiger IV-Rentenanspruch (von 50%) überprüft werde. Es sind Fragen zu meinem derzeitigen Krankheitszustand, inwiefern sich dieser verbessert oder verschlechtert habe.
Ich vermute, man würde mir die Rente gerne streichen...

Bevor mir im Jahre 2009 eine IV-Rente zugesprochen wurde, musste ich die schmerzvolle Erfahrung machen, dass ich durch meine Krankheit, durch wiederkehrende Chemo- und Dauertherapien nahezu bis ganz arbeitsunfähig geworden bin.
Bei Betrachtung meines letztjährigen Geschäftsabschlusses als selbst-ständige Gestalterin muss ich feststellen, dass ich nicht mal 20% gearbeitet habe. Schliesslich erhielt ich nebst den Dauertherapien wieder eine neue Chemotherapie. Das Arbeiten am Computer war beschwerlich, nahezu unmöglich. So komme ich auf keinen grünen Zweig, wie eine Redensart so treffend sagt!

Mein Krankheitszustand hat sich seit 2009 nicht verbessert — er wird fortwährend immer wieder aufs neue stabilisiert und ermöglicht mir medizinisch ausgedrückt "eine gute Lebensqualität". Natürlich macht mich das glücklich. Doch ich weiss, ich sitze in einem Boot mit einem Leck und schöpfe unentwegt Wasser!

Die Post der SVA schwärzt meine Gedanken und Gefühle. Ich frage mich, ob diese kostspieligen, aber lebenserhaltenden Massnahmen überhaupt im Interessen der SVA sind oder ob die SVA nicht einfach will, dass ich sterbe, bevor sie mir eine neue Rente ausschreiben muss...

Januar 2011: Das Kissen lebt noch!(siehe blog: Psychohygiene vom 01. Februar 2009,Was ich sehe wenn ich renne! vom 20. März 2010)






Samstag, 1. Januar 2011

Berührungspunkte

Damals, Ende Mai 2009, schrieb ich in mein schwarzes Wachsbuch:
"Wir haben vieles gemeinsam G. und ich. Da ist einerseits der Krebs, der uns während einer Chemotherapie-Sitzung im Ambulatorium zusammen-geführt hat und anderseits gibt es bei genauerer Betrachtung berufliche und soziale Berührungspunkte, diese Begegnung war doch eigentlich längst überfällig gewesen..."

Obwohl jede von uns in einem anderen Boot mit der Aufschrift Krebs unterwegs war, verband uns noch viel anderes in diesem Leben miteinander. Irgendwann wurde aus dieser Begegnung eine Freundschaft.
G. wusste um ihre schlechte Lebensprognose und stellte sich dieser in einer bewundernswerten offenen Art und Weise.
Sie begann ihr künstlerisches Leben in Form eines Buches zu ordnen und aufzuarbeiten, zusammen mit ihrer Lebensgefährtin C., Gestalterin.

Als ich am 23. Dezember mit C. zuhause an ihrem Tagesbett sass, lag draussen Schnee. Wir verlebten eine schöne, angeregte und unterhaltsame Teestunde. Ich freute mich als ich erfuhr, dass das Buch über Gs Arbeit beinahe beendet sei und sich das Projekt in der Endphase befindet.
Als ich mich von meiner Freundin verabschiedete, bat ich sie scherzhaft, sie solle wie ich nicht den direkten Weg wählen, sondern einen Umweg mit Schlenker machen, um dem Krebs noch einmal ein Schnippchen zu schlagen. Ich ahnte nicht, dass dies ein Abschied für immer sein würde.

Gestern rief mich C. an und eröffnete mir die traurige Nachricht, das G. am 30. Dezember am Nachmittag gestorben sei - eine Woche nach meinem Besuch. Letztendlich geht es immer zu schnell!
Ich bin traurig. Für C., die ihre Lebensgefährtin verloren hat, aber ich empfinde auch tiefe Dankbarkeit, dass ich meine Freundin noch einmal sehen durfte. In meinen Herzen bleiben Erinnerungen an viele gute Momente und Augenblicke dieser kurzen Freundschaft.