Samstag, 12. Mai 2012

Meine Liebste

Irene Gattiker: Ilex
Tusche auf Papier, April 2012



Du bist nicht mehr da. Und nun liegt es an mir, deinen Blog zu Ende zu schreiben. Das war eigentlich nicht so gedacht! Ich sehe deine Augen aufblitzen bei meinem Einwand und höre deine spitze Bemerkung…


Dienstag, 1. Mai 2012

Wir richten dein Notbett ein (siehe blog vom 14. Nov. 2010). Du hast es nicht so oft benutzt, fällt mir ein. Dieses Bett ist jetzt dein "Nest", wie du sagst. Ich hoffe, du erholst dich nach ein paar Tagen Ruhe. Ich räume unsere Terrasse auf und richte sie für den Sommer her. Du freust dich sehr über den neuen Anblick.
Es ist seltsam, alleine zu schlafen. Du hingegen bist immer in Gesellschaft unserer beiden Katzen. Sie scheinen dich zu bewachen...


Mittwoch, 2. Mai 2012

Du telefonierst mit deinem Care Team vom Onkologischen Ambulatorium: Ab sofort eine geringere Dosierung von Tyverb; plus am Freitag Termin zur Visite. Wir sind erleichtert darüber. Ich arbeite während du im selben Raum in deinem Nest schläfst. Es ist schön mit dir zu sein. Alles ist ruhig.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Die geplante Einladung an diesem Abend bei unseren Freunden B. und J. werde ich alleine bestreiten, darauf bestehst du. Die andere Einladung am nächsten Abend bei den Freunden P. und U. verschiebst du auf später. Ich geniesse einen entspannten Abend bei B. und J. Es tut gut weg zu sein, aber die Heimfahrt geht mir dann doch zu langsam!
Als ich nach Hause komme, schlafen alle...
 
 

Freitag, 4. Mai 2012

Es ist ein wunderschöner Morgen.
Taxi fahren ins Onkologische Ambulatorium der Frauenklinik Spital Triemli. Ein gutgelaunter und gutgekleideter junger Muslim mit Rauschebart fährt. Wir könnten in Kairo sein…
Frau Dr. St. erklärt uns, wie es weitergeht. Wir wissen jetzt, dass die Leber ihre Hauptsorge ist. Tyverb wird sofort ganz abgesetzt. Du sollst dich zuerst wieder kräftigen und erholen. Frau B. umsorgt dich und mich. Wir fühlen uns sicher und aufgehoben. Du siehst zufrieden aus. Du erhältst deine Portion Zometa:
Foto: Irene Gattiker, 4. Mai 2012
Zu Fuss machen wir uns danach auf den Weg zur Tramstation. Wir spazieren langsam nach Hause und geniessen den blauen Himmel und die Sonne.
Du sagst, dein Körper sei nun eine grosse Baustelle, auf der mal da und mal dort gearbeitet wird; das Haus aber werde nie fertig.


Samstag, 5. Mai 2012

Ich gehe früh zur Arbeit. Wie abgemacht um die Mittagszeit wieder daheim. Du nimmst eine warme Schokolade mit Brotmocken. Dann verschwindest du wieder im Nest.
Ich finde, deine Haut wird langsam gelblich. Natürlich willst du, dass ich den Gelbton mit dem Farbfächer feststelle. Pantone 156 trifft es recht gut.

 Du bist immer noch sehr müde. Am Nachmittag richte ich in unserem grossen Zimmer den Sommerliegestuhl ein, damit du auch mal dort liegen kannst.
Spargelrisotto und Erdbeeren. Dann legst dich in den Liegestuhl und wir hören Musik. Während Dylans "Blood on the Tracks" weine ich nur noch.
Morgen wirst du besser sein. Das hatten wir doch auch schon, das kriegen wir doch hin. Es braucht einfach Zeit. etc etc
Ich ahne etwas, möchte es nicht wissen. Du hingegen weisst es schon.

Sonntag, 6. Mai 2012

Ein müder Sonntag, auch meinerseits. Du schläfst mal hier im grossen Zimmer, mal in deinem Nest. Ich freue mich aufs Abendessen, das ich geplant habe. So verbringe ich nachmittags einige Zeit in der Küche.
Am Abend isst du nur ganz wenig, aber immerhin. Du ziehst dich wieder zurück in dein Nest.

Montag, 7. Mai 2012

Du bist sehr schwach. Du schläfst viel. Ich muss zur Arbeit.
Es geht mir nicht gut. Ich muss immer daran denken, wie du jetzt zu Hause liegst. Am Mittag fahre ich sofort heim. Warme Schokolade mit Brotmocken.
In deinen Augen ist ein Hauch von Gelb. Deine Nasenlöcher bluten, die Nasenwand ist offen. Deine Finger sind rot, weil du immer in der Nase kratzt. Ich frage dich, ob wir ins Spital fahren sollen. Du verneinst.
Aufgeschobenes erledigen: Du musst unsere Steuererklärung unterschreiben. Du hast Mühe deine Unterschrift zu setzen. Ich werde laut: Reiss dich zusammen! Deine sonst so schöne Schrift ist kraklig. Mir schwant nichts Gutes.
Du hast keinen grossen Appetit und wünschst dir eine Omelette. Sie misslingt mir. Ich bin verzweifelt und wütend und werfe die braungebrannte Omelette in den Müll. Rührei schaffe ich knapp, garniert mit Erdbeeren und Creme Fraiche.
Du sagst: So ist es nicht schön weiterzuleben.
Ich verliere den Boden unter den Füssen. Ich muss mir eingestehen: Das ist jetzt dann das Ende. Ich fühle mich ohnmächtig und bin hoffnungslos überfordert.
Ich schlafe kaum, höre deinen Atem. Schrecke jedes Mal hoch, wenn du stöhnst, dich drehst.

Dienstag, 8. Mai 2012

Du bist sehr schwach. Das Frühstück (warme Schokolade mit Brotmocken) schaffst du knapp. Wieder ins Nest. Ich rufe im Onkologischen Ambulatorium an und schildere Frau B. die Situation. Es wird sofort ein Zimmer frei gemacht. Ich rufe die Ambulanz an.
Du willst vorher noch duschen, unbedingt. Ich stelle einen Stuhl in die Dusche, fluchend. Du Dickschädel. Ich halte dich und zusammen taumeln wir in die Dusche. Ich fluche. Du kannst dich fast nicht mehr vom Stuhl erheben. Endlich schaffe ich es dich anzukleiden und dich nach vorn ins grosse Zimmer zu bringen. Dort rollst du dich im Liegebett ein und beginnst zu dösen. Sofort kommt eine Katze und legt sich zu dir. Ich warte auf die Ambulanz. Die Tasche mit Kleidern hast du schon vorsorglich vor einiger Zeit gepackt...

Die Rettungssanitäterinnen binden dich auf einen Tragstuhl. Du hast ganz grosse Augen. Auf Fragen nickst du nur.
Und als du endlich im Spitalbett liegst, entspannst du dich langsam. Du atmest aber schwer. Alles wird gut, denke ich, du bist in Sicherheit.

Am Nachmittag bestätigt mir Frau St., was ich geahnt habe: Dein Leben nähert sich dem Ende. Sie erklärt mir, wie es ab jetzt weitergeht. Weinend erzähle ich es dir, du weisst es schon länger. Auch Frau St. spricht mit dir und verabschiedet sich von dir.
Am Abend kurz nach Hause, die Katzen füttern, duschen, weinen, meine Kleider packen.
Dein Nest ist leer.

Zurück in die Frauenklinik. Neben deinem Bett klappe ich mein Bett auf. Ich richte mich ein für die Nacht in "unserem" Zimmer.
Ich schlafe nicht. Ich weine, horche auf deinen Atem. Ich muss dich immer wieder anschauen, halten, küssen. In der Morgendämmerung bist du für einen Moment da, deine Augen sehen mich. Ich frage, ob du Angst hast. Du schüttelst den Kopf. Ich frage, ob du Schmerzen hast. Du schüttelst den Kopf. Dann küssen wir uns richtig fest, du bist da. Und dann driftest du wieder weg.

Mittwoch, 9. Mai 2012

Deine Mutter wacht morgens an deinem Bett und ich gehe nach Hause: Katzen füttern, duschen, Wäsche waschen, schluchzen.
Dann wieder ins Spital. Du schläfst, drehst dich ab und zu, es scheint mir, du bist recht entspannt.

 
Am Abend übernehmen deine Freundinnen I. und P. die Wache und auch M. kommt dazu. Ich füttere die Katzen und suche die Kleider, die du tragen wirst, wenn du tot bist. Es sind die Kleider und die Schuhe, die du getragen hast, als wir geheiratet haben.
Als ich wieder ins Spital fahre, ist der Himmel gewölkt. Es hätte dir gefallen. Ich bin ruhig. Ich hoffe, es ist für uns die letzte Nacht zusammen.

Deine Freundinnen I. und P. empfangen mich herzlich und sagen mir, wie es dir ergangen ist. Du atmest schwerer als sonst. Pflegefachfrau W. erklärt mir, wie es weitergeht und was ihre Aufgabe sei. P. kommt gegen 21 Uhr wieder zurück. Ich bin froh, bin ich nicht alleine. Flüsternd unterhalten wir uns über dies und das. Im Zimmer wird es langsam dunkel.
Als du um 22 Uhr noch immer schwer atmest, ist es Zeit, Frau W. zu rufen. Sie fragt mich, ob wir bereit sind für die letzte Strecke. Wir sind. Frau W. erläutert ganz genau, wie wir zusammen diesen Teil zurücklegen können. Sie strahlt so viel Liebe und einen tiefen Respekt aus, ich fühle mich sicher.
Ich halte deinen Arm, ich bin dir ganz nah, und ich erzähle dir einfach, wie wir zusammen auf der wunderschönen Insel Naoshima wandern. Und ich sage dir immer wieder, dass du gehen kannst, dass alles gut ist. Um etwa 22.45 Uhr wird dein Atem endlich flacher, unregelmässiger. Du öffnest deine Augen ein wenig, da ist aber kein Blick mehr. Und dann - endlich - atmest du nicht mehr.
Es war genau so, wie du dir es gewünscht hast.
Ich halte dich noch eine ganze Weile. Wir verabschieden uns. Die Ärztin stellt um 23.05 Uhr deinen Tod fest.
Dann bin ich alleine.
Jetzt wirst du gewaschen und eingekleidet. Das möchte ich nicht sehen.
Ich gehe in die Lobby und mache die wichtigen Anrufe. Deine Freundin C. kommt sofort zu mir. Wir warten zusammen. Es ist vorbei. Die Gegenwart von C. entspannt mich. Ich lasse los und spüre die grosse Müdigkeit.

Dann endlich können wir dich sehen.
Meine Liebste, du bist wunderschön.

C. bringt mich zu sich nach Hause. Wir trinken ein Bier zusammen. Ich übernachte in einem schönen fremden Zimmer.
Ganz früh bin ich wach, es liegt Nebel über der Stadt.

Meine Liebste, so endet deine Geschichte, unsere gemeinsame Geschichte. Du hast immer gesagt, du hattest ein schönes Leben mit mir. Ein kleiner Teil deines, unseres Lebens liegt hier, aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Wir dürfen immer wieder lesen und uns erinnern. Weinen, staunen, lachen.

Du bist angekommen, ich betrete Neuland. Aufgehoben in einem Netz, das du so umsichtig gespannt hast.



Danke, liebe Freundinnen und Freunde für alles.

Liebe Frau Stoll
Liebe Frau Biedermann
Liebe Frau Langer
Ihnen danke ich von ganzem Herzen.Von Ihnen wurden wir immer getragen...
Ich danke auch allen Menschen vom Onkologischen Ambulatorium der Frauenklinik, Stadtspital Zürich, die Irene und mich auf unserem langen Weg betreut haben. Sie haben unser Leben in den vergangenen 5 Jahren erleichtert, erhellt, immer wieder von Hoffnung erfüllt.


Liebe Frau Witzig
Mit grossem Respekt sind Sie meiner Frau in ihren letzten Stunden begegnet und mit grosser Liebe haben Sie uns begleitet. Sie haben uns berührt und es uns leicht gemacht auf der letzten Strecke. Meine ganze Hochachtung und meinen tiefsten Dank!


Es war so, wie es sich Irene gewünscht hat.
Beat Zgraggen


Freitag, 11. Mai 2012

Venus leuchtet am Abendhimmel, Jupiter ist verschwunden.
 
Meine Liebste
Vor einer Woche hast du ins Tagebuch geschrieben:
„Ich bin weder da
noch dort
nicht wo du bist
nicht wo ihr seid
ich bin einfach
weg...“

Ich vermisse dich sehr. Dein Liebster


Mittwoch, 6. Juni 2012 

Vor genau vier Wochen hast du deinen letzten Tag gelebt.
Als ich heute erwachte, lag unsere Katze Flocke auf deinem Kissen neben mir.
Es regnete. Ich blieb liegen.
Eine Kakteenblüte öffnete sich.
Den Nachmittag verbrachte ich im Zug und liess Gedanken und Landschaften vorübergleiten.














Samstag, 5. Mai 2012

Ferien


Als wir vergangene Woche mit Freunden in die Ferien aufbrachen, litt ich bereits unter Magen/Darmproblemen, unter Bauchschmerzen und Atemnot.
Trotzdem genoss ich die Landschaft mit ihren Oliven-Zedern-Zypressenbäumen, deren Åste sich im Mistral wiegten. Zitronengelber Ginster, violette Iris, roter Mohn, Rebberge und Lavendel, der leider noch nicht in Blüte stand...
Auf einen schönen Tag in der Landschaft folgte jeweils der kulinarische Teil unserer Reise.
So gut die Speisen auch präsentiert und hergerichtet wurden: für mich wurde es zur Belastung. Selbst das beste Essen kann bei einer schlechten körperlichen Verfassung zu einer wahren Folter werden... 
So waren frische Erdbeeren auf meinem Speiseplan wieder einmal hoch im Kurs!
Auf den Marktständen wurden sie feilgeboten, frische, süsse Erdbeeren aus Carpentras.
Diese Gelüste kamen mir bekannt vor (siehe blog vom Sonntag, 24. Mai 2009: "Weekly")!
Doch auch die Erdbeeren vermochten weder meine Bauchschmerzen noch die erschreckende Atemnot oder die anderen Beschwerden lindern. So nahm ich zuhause umgehend mit meinem Care Team Kontakt auf. Es war auch höchste Zeit...







Sonntag, 22. April 2012

Spezies

Als meine erste Katze vor gut zwanzig Jahren bei mir zuhause einzog, war ein jährlicher Besuch bei Tierarzt C. ein immer wiederkehrendes Ritual. Die Katze lebt inzwischen nicht mehr... Unser Mann in Sachen Katzengesundheit ist geblieben!
Auch unsere Katzen Nr. 2 und  Nr. 3 unterziehen sich bei ihm dem Ritual einer Jahreskontrolle.
Neulich war es wieder soweit: zum 17., respektive zum 15. Mal in Folge...
Bei Katze Nr. 2 wurde ein hartnäckiger Schnupfen behandelt — ansonsten fehlte dem in die Jahre gekommenen Kater aber weiter nichts.






Hingegen fand sich bei der Untersuchung von Katze Nr. 3 ein beweglicher Knoten zwischen Schwanzwirbel und Kreuzbein. Auf Empfehlung des Tierarztes sollte dieser noch am gleichen Nachmittag entfernt werden.

Drei Stunden nach dem Eingriff konnte ich die von der Narkose immer noch leicht sedierte Katze mit einer 10cm langen Narbe in Empfang nehmen.






 Während Tierarzt C. das rosafarbene Corpus Delikti in seiner linken Hand hin und her wiegte, erklärte er mir, dass es sich bei dem entfernten "Knubbel" um einen gutartigen Knoten handle. Zum Glück kein Krebs, der schliesslich in der Tierwelt auch immer mal wieder vorkommt...
Gutartig! Doch auch diese Spezies, eine Zellwucherung, birgt einzig die Eigenschaft in sich, sich um ihrer selbst Willen ständig zu vergrössern! 
Eine Eigenschaft, die mir äusserst bekannt vorkommt, nur das mein Krebs alles andere als gutartig ist!
Ich habe den Knubbel mit seinem beachtlichen Durchmesser von 3.5 cm mit der Kamera festgehalten...(wer nicht mag schaut nicht hin!)








Sonntag, 15. April 2012

On the Road Again

Als ich am Ostermontag zusammen mit Freunden am Uetliberg unterwegs war, keimt in mir ein Wunsch auf, mich wieder joggend durch den Wald bewegen zu können...
Tags darauf lassen mich die guten Wetterbedingungen und mein schwindelfreier Kopf den Joggingwunsch sogleich in die Tat umsetzen!

Motiviert stürze ich mich in meine Laufkleidung und in meine Marathonschuhe und verstaue in meinen Hüftgurt mein Handy, sicherheitshalber...
Dann verlasse ich zu Fuss das Haus in Richtung Bushaltestelle und lasse mich an die Endstation unterhalb des Waldrandes des Uetliberges chauffieren. Nach neun Monaten Auszeit beginne ich mit einem Aufwärmtraining und starte schliesslich unbeobachtet und ganz vorsichtig zu meinem ersten Lauftraining.






Mein Herz lässt meinen Puls in die Höhe schnellen und meine Beinmuskeln scheinen die zahlreichen Trainings längst vergessen zu haben, so dass ich mir immer wieder kleinere Gehpausen gönnen muss...
Am Ende dieses Versuchses überkommt mich dann ein überwältigendes Gefühl der Freude. Nach der Diagnose „Hirnmetastasen“ träumte ich oft und viel davon, wie ich über Stock und Stein rennen würde. Und ich hatte mich bereits damit abgefunden, dass ich diese Wunschträume mit Würde begraben muss.

Doch jetzt ist alles anders gekommen! Es mag am steigenden TM liegen, der mich herausfordert, mich aufs neue meinen Lauffreuden in ausgewogener Dosierung hinzugeben, Muskelkater inklusive!








Sonntag, 8. April 2012

Maximales Glücksgefühl

Die maximale Dosierung von Tyverb 1250 mg, die ich am Abend einnehme, macht mir bis jetzt keine sonderlichen Probleme. Wenn das Medikament seine Wirkung entfaltet bin ich bereits im Land der Träume.
Glücklicherweise hat sich mein Körper im Verlaufe der Zeit gut erholt und kann wieder so einiges an Medikamentencocktails einstecken und verkraften. Das lässt hoffen, im Rennen die Nase vorn zu haben...
Dazu wünschte ich mir noch ein verbessertes Gleichgewichtsgefühl. Zwar benötige seit längerem keinen Stock mehr, aber es kommt neuerdings wieder zu Situationen, in denen ich meine Balance verliere und mich dankbar am Arm meiner Begleitung festkralle...

Trotzdem habe ich das Bedürfnis auch ohne Begleitung unterwegs zu sein. Das sind meine ganz persönlichen Geh/Lauf-Trainings: Durch die mit Kirschbäumen gesäumten Quartierstrassen streifen und in ein Meer von weissen und rosa Kirschblüten eintauchen. Dabei empfinde ich ein Glücksgefühl besonderer Art: Die Tatsache, dass ich diese Erneuerung der Natur erneut miterleben darf!








Samstag, 31. März 2012

Won't Be Long — Bin gleich soweit

Es sind bereits neun Monate vergangen, seit in meinem Kleinhirn erstmals Metastasen aufgetreten sind. Nach einer intensiven Bestrahlung und der Einnahme entsprechender Medikamente bewegte sich mein Tumormarker zu meiner grossen Erleichterung schrittweise nach unten. Und mit meinen Kopfschmerzen und dem gelegentlichen Schwindel komme ich gut zurecht: schliesslich kann ich auf Medikamente zurückgreifen, die äusserst hilfreich sind.

So bin ich guter Dinge, als ich mich am letzten Dienstagnachmittag zur Kontrolle in die Maternité begebe.
Am Abend der Anruf meiner Onkologin Frau St. Aus den Lautsprechern unseres Radios ertönt die Stimme von Aretha Franklin mit dem passenden Songtitel "won't be long"— bin gleich soweit.
Diesmal ist es keine gute Nachricht*. Ich atme tief durch als sie mir erklärt, dass der TM-Wert von heute Nachmittag wieder in die Höhe geschnellt ist. Es bleibt noch ein einziger Pfeil im Köcher "Tyverb", den wir gegen meinen Krebs abschiessen können. Frau St. schlägt vor, die Dosierung von Tyverb auf das Maximum zu erhöhen. Vielleicht lässt sich der TM so erneut senken...

Ich rechne es meiner Onkologin Frau St. hoch an, dass sie mich umgehend informiert und eine sofortige neue Therapiestrategie vorgeschlagen hat. Ich bin soweit! Auf dass wir den TM wieder zum Tiefflug bringen!

*siehe blog "Zukunftsgedanken" vom 24. Dezember 2011

Aretha Franklin "Aretha with the Ray Bryant Combo" 1961








Sonntag, 25. März 2012

Normalität

Mir wird so oft bewusst, dass Normalität vor meiner Erkrankung eine andere war, als sie es jetzt ist. Vieles ist nicht mehr möglich, aber trotzdem habe ich neue Strategien gefunden, dass sich in meinem Leben Normalität einstellt. So bin ich bis auf Weiteres mit meinem Krebs unterwegs, schnell und hellhörig, damit er mich im Normalzustand des Alltages nicht einfach so abhängen kann...

Dieses Wochenende wurden wir von Pipilotti Rist zu ihrer Ausstellungseröffnung "Augapfelmassage" in Mannheim eingeladen. Es war ein wunderschöner Ausflug zu einer wunderbaren Ausstellung, Kompliment... So aussergewöhnlich kann mein normales Leben manchmal auch sein! 

Meiner Freundin (und Auftraggeberin) ein Dankeschön für die wohltuende Augapfelmassage!