Samstag, 23. April 2011

Salami

Es scheint, dass sich mein Körper inzwischen an die Nebenwirkungen der fiesen kleinen Aromasin-Pillen gewöhnt hat und sich mit seiner Appetitlosigkeit abfindet. Obwohl einige Lebensmittel immer noch ungewohnt oder einfach abscheulich schmecken, achte ich darauf, mich ausgewogen zu ernähren. Glücklicherweise machen mich meine Lauftrainings hungrig und Hunger ist in meinem Fall absolut der beste Koch...

Seit einiger Zeit werde ich regelrecht von Gelüste-Attaken nach ungewohnten Essvariationen überfallen. Gelüste, die man kaum als gesund bezeichnen kann. Zum Beispiel einen heissen Kakao mit Brotmöckli, ein Naturejogurt mit einem grossen Zuckerberg gesüsst, ein Salami-Salzgurken-Brot, eine Grapefruit-Limonade namens Pepita. Meine Gelüste sind in ihrer Zusammensetzung so kunterbunt wie der Papagei im Logo der erwähnten Limonade...

Wenn mich solche Gelüste überkommen bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Sie lassen mich einfach nicht mehr los. Als neulich mein Wunsch auf ein Salami-Salzgurken-Brot so gross war, musste ich umgehend eine Metzgerei aufsuchen, um mir einige Rädchen Nostrano zu besorgen. Während ich Zuhause meinen Heisshunger auf Salziges stillte, versuchte ich mich daran zu erinnern, wann ich letztmals ein Salamibrot gegessen hatte. Aber ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern.
Schuld an diesen kunterbunten Attacken kann wohl nur mein durch das Aromasin durcheinander geratener Hormonhaushalt sein.


 
 


Sonntag, 17. April 2011

Zum Dritten

Im Vorfeld des Marathons erreichten mich viele aufmunternde und motivierende Zeichen via Mail, Postkarten und SMS meiner mitfiebernden FreundInnen. Meine Beine konnten es deshalb kaum erwarten endlich loszurennen...

Aller guten Dinge sind drei! So startete ich etwa drei Monate nach Abschluss meiner dritten Chemotherapie mit drei Schmerztabletten ausgerüstet an meinem dritten Zürich Marathon 2011.
4 Stunden 11 Minuten 34 Sekunden und 3 Zehntelsekunden später erreichte ich - 3 Schmerztabletten intus gegen meine rebellierende Knochen-metastasen - das Ziel und landete in meiner Kategorie auf Rang 32. Die Ausschüttung von Glückshormonen war beachtlich und hält noch immer an! Die Drei scheint tatsächlich heute meine Glückszahl, ist doch die Quersumme aller relevanten Daten eine Dreierzahl...

Mit meinen "Fans", die mich an der Strecke und auf den letzten hundert Metern vor dem Ziel unterstützt hatten, feierten wir den gelungenen Marathonlauf. Bei einem gemeinsamen Spaghettiessen und Meringues mit Schlagrahm füllten sich die Kohlehydratspeicher wieder auf! Herzlichen Dank an den Coach und Koch.
Ein herzliches Dankeschön auch an alle, die ihr mich vor und am Marathon unterstützt habt!
Eure schnellste Marathon-Krebsläuferin aller Zeiten
Irene


 
 


Samstag, 9. April 2011

Tränen

Am Mittwoch, als ich die Todesanzeige meiner Triemlifreundin P. in den Händen hielt, schien ich für einen Moment die Bodenhaftung unter meinen Füssen zu verlieren. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Hinter einem dichten Schleier aus Wut und Trauer wurde mir wieder einmal schmerzlich bewusst, dass auch ich mich auf der Sackgasse "Krebs" auf ein Ende hin bewege, ein Ende, an dem es weder ein Vor- noch Zurück geben wird!

Im Januar dieses Jahres klang P. äusserst zuversichtlich. Sie schrieb mir, wie sie sich mit ihren Ärzten darauf einigen konnte, die Chemotherapie zu beenden. Sie wollte nicht mehr nur immer fremdbestimmt sein. Sie wollte ihre ganze Kraft aufs "gesund werden" verwenden. Um dem Krebs selbstbestimmt entgegen treten zu können, setzte sie sehr hohe Ansprüche an sich. Oder wie sie es formulierte: "Einfach mit Power und tiefster Überzeugung. Thats the way it is."

Sie war stets davon überzeugt, eines Tages den Krebs überwinden zu können und davon geheilt zu werden.
Obwohl mir als Pragmatikerin manche ihrer Gedanken und ihr spiritueller Umgang mit alternativen Heilverfahren fremd blieben, schätzte ich ihre positive Haltung, eines Tages einen Weg aus der Sackgasse "Krebs" finden zu können und ihren ungebrochenen Glauben an sich selbst.
Unser geplantes Frühlingswiedersehen Anfangs März wurde nun zu einem Abschied für immer.
Liebe P., ich werde mich immer an dich erinnern!

Es geht der Frühling.
Vögel weinen, im Auge
der Fische — Tränen

Haiku Matsuo Basô

(siehe blog vom 9. Mai 2010)


 
 


Sonntag, 3. April 2011

Platz 13

Ich bin eine zuverlässige Patientin, wenn es darum geht täglich die vorgeschriebenen Medikamente einzunehmen. Aber vor einem Lauf verzichte ich nun bewusst darauf, bzw. ich "vergesse" die kleinen fiesen Pillen einzunehmen. Ich geniesse den medikamentenlosen Zustand und erspare mir so auch die unliebsamen Nebenwirkungen am Lauftag. Diese Auszeit wirkt sich positiv auf meine Psyche aus. Durch die ein- oder zweimalig verweigerte Einnahme kann die Wirkung des Aromatasehemmers wohl kaum beeinträchtigt werden.

Gestern lief ich dann auch ohne Übelkeit am Zumikerlauf mit, in meiner Gesässtasche eine Schmerztablette für alle Fälle. Während des ganzen Laufes von 11.2 Kilometern trugen mich meine Beine und Knochen über Feld- und Waldwege bei frühlingshaften Temperaturen ins Ziel. Die Schmerztablette blieb unangetastet.
Vor noch nicht einem Jahr (siehe blog vom 12. Juni 2010) hätte ich viel darum gegeben, eine Schmerztablette dabei zu haben, denn damals musste ich den Lauf unter quälenden Schmerzen beenden...

Nun aber rannte ich locker und leicht und mit einer respektablen Zeit durchs Ziel. Ich klassifizierte mich in meiner Kategorie im Mittelfeld und landete auf Platz 13!
Ist das nun eine Unglücks- oder Glückszahl, ein schlechtes oder gutes Omen im Hinblick auf den bevorstehenden Marathon in zwei Wochen in Zürich?