Sonntag, 19. September 2010

Morgenmuffel?

Seit ich erneut eine Chemotherapie erhalte, ist mir klar, dass ich vorübergehend kein Morgenmensch mehr sein kann. Ich benötige viel Zeit, damit mein Körper und Gehirn richtig auf Touren kommen und ich schliesslich erfolgreich in einen neuen Tag starten kann. So zieht sich ein optimaler Morgen in der Langsamkeit des Seins allmählich in die Vormittagsstunden...

Es gibt aber auch Tage an denen ich trotz meiner morgendlichen Langsamkeit mit wenig Zeit in den Tag starten muss. Dann fühle ich mich jeweils so, als würde ich neben den Schuhen stehen. Antriebslos und noch voller nächtlicher Müdigkeit bewege ich mich tapsig und unkonzentriert in den Tag hinein!

So geschehen am letzten Sonntag, als wir uns frühmorgens für eine Wanderung zur Tramhaltestelle aufmachten. In einem Moment von Unachtsamkeit verhaspelten sich die Schnürsenkel meiner Wanderschuhe so unglücklich ineinander, dass ich die Bodenhaftung verlor.
Meine Nasenspitze landete unsanft auf dem Asphalt. Da lag ich — bäuchlings mitten auf der Hofdurchfahrt mit blutigen Bremsspuren auf meinen Handballen. Was für ein unglücklicher Blitzstart!
Unvermittelt brach in mir eine Welt zusammen. Weltschmerz oder wohl eher Krebsschmerz. Einerseits die Schmerzen durch den Sturz, anderseits realisierte ich, dass mein Körper den Befehlen meines Gehirns nicht folgen konnte. Das Tränenwasser sammelte sich in meinen Augen und kullerte in kleinen Rinnsalen über mein noch schlaftrunkenes Gesicht.
Liebend gerne wäre ich in diesem Moment auf der Strasse liegen geblieben, um mich meiner morgendlichen Langsamkeit zu ergeben und schlafend den Zeitpunkt abzuwarten bis Körper und Geist soweit bereit sein würden, sich zusammen in eine und die selbe Richtung bewegen zu können. Aber das würde Stunden dauern! "Dünnhäutig" wie ich war, rappelte ich mich schliesslich mit Hilfe meines Liebsten wieder auf und startete ein weiteres Mal in diesen Morgen, dem ein wunderbarer Tag in den Bergen folgen sollte...

Japanische Landschaft Nr. 2 mit Blick auf den Walensee, 19. September 2010
Foto: B. Zgraggen