Sonntag, 9. Mai 2010

Perücke

Während meiner Chemotherapie im Ambulatorium habe ich vor gut einem Jahr Mitpatientin P. kennen gelernt. Inzwischen sind wir Freundinnen.
Als sie mir letzte Woche erzählte, dass ihre Chemo in Tablettenform nicht die gewünschte Wirkung zeige und sie nun eine weitere Chemotherapie mit Infusion erhalten werde, hat mich das sehr berührt und betroffen gemacht. Speziell für Menschen, die man gut mag, wünscht man, dass der Krebs mit seinen Metas ewig und für immer in einen stabilen Zustand verharren möge...
Und wenn er sich wieder still und heimlich zurück meldet, macht einem das ganz schön wütend!

Aber jede Chemotherapie ist eine Chance. Man geht diesen Weg, denn am Ende leuchtet (hoffentlich) wieder die Normalität des Lebens! Auch P. geht diesen Weg mit viel "spirit" und positiver Einstellung.
Sie hat diese Woche mit der neuen Chemotherapie begonnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Haare verlieren wird, liegt bei 50%! Der Termin bei der Perückenmacherin hat sie also vorsorglich organisiert. P. fragte mich, ob ich sie dabei begleiten würde, was mich sehr freute.

Das Sortiment der Perücken ist gross. Wir fabulieren über mägliche Identitäten, die man sich während einer Chemotherapie zulegen könnte:
Mal blonder Vamp, mal schwarze Katze, mal rot blau grüne Fee... Identitätenswitch! Doch an den Schaufenstern des Perückenladens steht in grossen Lettern: "Natürliches - schönes Haar".
Die Perücken sind aber aus künstlichem Haar gefertigt, sehen jedoch ziemlich echt aus. Vor uns liegen einige Modelle, die nun der Reihe nach auf P.'s Kopf gesetzt und in Form gebracht werden.
Mal brav, mal Hausmütterchen, mal keck und frech und schon ist die richtige gefunden, die P.'s Haar, ihrem Schnitt und ihrer Haarfarbe entsprechen und zu ihrem Hauttyp passen.

Ihre Tochter hat sich für diese Chemo "ein Mami mit langen Haaren" gewünscht. So lässt sich P. zuletzt eine schwarze Langhaarperücke aufsetzten. Sie sieht wirklich gut aus und strahlt mir entgegen, als ich mit meiner Kamera — klick — diesen Augenblick festhalte.

Schliesslich unternehmen wir eine kleine Busreise in den Kreis 5, wo wir wir bei einem gemütlichen Mittagessen im Restaurant Viadukt die erfolgreiche Anprobe im Perückenladen beschliessen und zuversichtlich in die Zukunft blicken...

Einen Tag nach unserem Besuch im Perückenladen, erreicht mich ein Mail:
"Black Hair beauty is not smiling anymore. Es chunt scho wieder besser."
Vier Tage nach Erhalt ihrer Chemotherapie entfalten sich nun die unliebsamen Nebenwirkungen in ihrem Körper... Ich wünsche P. sie gehen schnell vorbei.