Sonntag, 22. Mai 2011

Aufpäppeln

Am Montagabend muss ich mich ein erstes Mal übergeben. Ich sinke müde und ausgelaugt ins Bett und hoffe, mein Zustand werde sich bald bessern.
Mitten in der Nacht suche ich die Küche auf um meinen Durst zu löschen. Erneut wird mir schrecklich übel. Ich torkle in Richtung Badezimmer, dann tauche ich ab in die Dunkelheit der Bewusstlosigkeit.
Durch die ungewohnten Geräusche wird mein Liebster jäh aus dem Schlaf gerissen und findet mich am Boden. Ich nehme bruchstückweise seine verzweifelten Rufe war. Mit seiner Hilfe rapple ich mich auf und setze den Weg ins Badezimmer fort. Nach ein paar Schritten übergebe ich mich. Jetzt tauche ich erneut in die Dunkelheit ab. Ich falle gegen die Wohnzimmerwand, reisse ein Bild mit und lande unsanft auf dem Boden. Ich bleibe liegen.
Mein Liebster schleppt mich ins Badezimmer. Ein wenig später sitze ich gedankenverloren auf dem Klo. Mein Darm und Magen entleeren sich gleichzeitig. Schliesslich sinke ich erschöpft auf den gefliesten Boden und tauche wieder ab in die Dunkelheit. Später komme ich schlotternd und in Seitenlage unter der wärmenden Nachmittagsdecke wieder zu mir. Ich bleibe eine Weile liegen. Mit Hilfe meines Liebsten nehme ich dann eine warme Dusche und werde ins Bett zurückgebracht. Mein Mann beseitigt hörbar verzweifelt die Spuren meiner Odyssee...

Am Morgen nehme ich Kontakt mit meinem Careteam in der Maternité auf. Mit dem Taxi fahren mein Liebster und ich am Nachmittag dann ins Ambulatorium. Ich werde liebevoll empfangen. Sofort wird eine Infusion gesetzt. Die anfängliche Befürchtung meiner Onkologin, es könnte sich bei den Symptomen der Bewusstlosigkeit um Anzeichen auf Hirnmetastasen handeln, zerschlägt sich glücklicherweise nach genaueren Untersuchungen.
Als ich erfahre, dass es sich bei meinem Zusammenbruch um die Folgen einer Medikamentenvergiftung handelt, umklammere ich vor Erleichterung ganz fest die Hand meines Mannes. Die folgende Nacht verbringe ich dann gut behütet in einem Spitalbett auf der Station.
Meine derzeitigen Medikamente werden bis auf weiteres abgesetzt.

Noch immer fühle ich mich geschwächt. Ich erinnere mich nur bruchstückhaft an meinen Zusammenbruch. Der Vorfall hinterlässt bei uns beiden das schmerzliche Gefühl, dass wir einen ersten Vorgeschmack auf weitere unliebsame Intermezzi im Verlauf meiner Erkrankung erhielten!
Dankbar nehme ich das Angebot meiner Mutter an, uns im Haushalt ein wenig zu unterstützen. Sie erledigt für uns erst einmal die anfallende Bügelarbeit.
Während meine BRUSTfreundinnen bereits die ersten Gedanken zu einer neuen gemeinsamen Herausforderung austauschen, widme ich mich nun meiner Regeneration...